TexturenVerlag

 

Erfolgsfaktoren eines inhabergeführten Kleinverlags

von Klaus-W. Bramann

Dr. Klaus-W. Bramann
Dr. Klaus-W. Bramann

Vortrag, gehalten auf der Erlanger Zukunftskonferenz am 7. November 2011.

 

Das Thema der Tagung wurde mit innovation@publishing angekündigt. Es geht also um ›verlegerische Innovationsstrategien‹. Es geht um die Zukunft dessen, was ich gerne mit ›differenzierte kulturelle Dienstleistung‹ umschreibe. Um es vorab klarzustellen: Bei einem Kleinverlag geht es selten um technische Innovationen. Sich über die Zukunft Gedanken zu machen, bedeutet immer gleichzeitig eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit. Meine etwas provokante These lautet: »Ohne Rückbesinnung auf Traditionen sieht die Zukunft der Branche ärmer aus«

Allerdings müsste man den Begriff Tradition näher fassen. Mir reicht ein Hinweis auf die Umschreibung, die Gustav Mahler einmal kreiert hat: »Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche.« Verlegerei ohne Leidenschaft ist für mich nicht denkbar.

 

 

Zukunft hat nichts mit Mode zu tun

 

Zukunft hat nichts mit modischen Allüren zu tun. Oder mit Modewörtern, die als Worthülsen alten Wein in neue Schläuche füllen. Denn Modewörter gehören zum Tagesgeschäft und bieten selten Perspektiven für die Zukunft. Ich möchte kurz auf ein paar Wörter eingehen. Formate – ein Wort für neue Reihe oder Editionsformen, auf das man vielleicht verzichten kann. Buchindustrie – ein Unwort, das – sollte es in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen – in letzter Konsequenz die Abschaffung der Preisbindung zur Folge hat. Oder digitaler Workflow – ein Wort, das für Prozessoptimierung in den Druckvorstufen dient und aufgrund neuer Techniken seine Berechtigung hat. Ebenso wie das Wort Produktformdenker, von dem ich – dank dem Vortrag von Herrn von Berg – heute zum ersten Mal gehört habe, und über das ich noch lange nachdenken werde. Versprochen.

Mir persönlich gefallen allerdings gänzlich andere Modewörter. Zum Beispiel Independent – was für Unabhängigkeit-bewahren steht oder Nachhaltigkeit – ein Wort, das mit kurzfristigen und evtl. auch kurzsichtigen Verlagsprojekten nichts zu tun hat.

Die ersten drei Wörter stellen das Technische in den Vordergrund, während die letzteren auf einer völlig anderen Ebene angesiedelt sind, die das Technische nicht zwingend ausschließt, es aber auch nicht in den Vordergrund stellt. Denn technisch machbar ist viel – zunehmend fast alles. Aber ist es auch sinnvoll? So wie das technisch Machbare nicht immer das pädagogisch Sinnvolle – etwa für Studiengänge – ist, muss das technisch Machbare auch nicht zwingend das verlegerisch Sinnvolle sein.

 

 

Der Verlag als Dienstleister

 

Gestatten Sie mir, dass ich zunächst mein Verständnis von einem Verlag darlege. Mein Verständnis ist: ein gut organisierter Verlag sollte wie ein Dienstleistungsunternehmen denken. Der Verlag ist demnach ein Dienstleister. Da weiß ich mich in guter Gesellschaft bzw. in einer guten Tradition stehend. War es doch der wissenschaftliche Springer Verlag, der diesbezüglich eine einfache Philosophie entwickelt hatte: »Auf der einen Seite ist jemand, der eine Information hat – auf der anderen Seite jemand, der diese Informationen braucht. Wir organisieren die Vorgänge, die dazwischen liegen.« Übrigens: Ersetzt man das Wort Information durch Unterhaltungsangebot, lässt sich dieser Ansatz auch auf Publikumsverlage übertragen.

Und als Vermittler richtet (orientiert) sich ein Verlag an den Bedürfnissen seiner Zielgruppen oder User, die er mit bestimmten Erwartungen, Genres, Themen – und von mir auch mit Formaten – bereichern, unterhalten oder einfach nur ›glücklich‹ machen will, um es einmal salopp zu formulieren.

Profilierung heißt das Gebot der Stunde: sich unverwechselbar machen mit dem Ziel, dass der Kunde, Leser oder Nutzer den besonderen (Mehr-)Wert der eigenen Leistung erkennt und immer wieder auf das Angebot des Verlags zurückgreift. Die Dienstleistungsaufgabe des Verlags, das Vermitteln, führt damit zwangsläufig zum Prinzip einer konsequenten Kunden- und Marktorientierung. Ich glaube, dieses Credo vereint Groß- und Kleinverlage oder – vielleicht besser eingegrenzt – diejenigen Verlage, die mit ihrer Verlagstätigkeit einen Gewinn erzielen wollen. Dazu braucht es Visionen und Zielvorgaben, die am Markt realisiert werden können.

In meinem Fall – und damit komme ich zur ›Denke‹ meines inhabergeführten Kleinverlags – war die Zielvorgabe vor rund 12 Jahren zugegebenermaßen mehr als abenteuerlich: Ich wollte Marktführer in einem schrumpfenden Marktsegment werden. Ich weiß nicht, ob ich es mittlerweile geschafft habe – dazu fehlt mir statistisches Zahlenmaterial meiner ›Marktbegleiter‹, wie man es heute vornehm ausdrückt –, aber ohne eine gewisse öffentliche Wahrnehmung wäre ich heute bestimmt nicht eingeladen worden.

 

 

Erfolgsfaktoren eines inhabergeführten Kleinverlags.

 

Ein Kleinverleger muss persönlich sein, denken und handeln. Warum? Weil es den Kleinverlag nicht gibt. Sondern nur Verlage, die bestimmte kleinere Segmente im Visier haben, die völlig unabhängig voneinander agieren. Auf Rügen habe ich vor zwei Wochen einen Fachverleger für Ornithologie und Naturfotografie kennengelernt. Und auf der Frankfurter Buchmesse einen Freak, die Wohnmobilfahrer auf Campingplätzen über Anbieter aus der Region informieren will. Also verzeihen Sie mir bitte persönliche Ausführungen und Anmerkungen zum Thema, die jedoch durchaus auf andere Kleinverlage zu übertragen sind.

Schwierigkeiten habe ich mit dem Begriff ›Erfolg‹. Denn Erfolg ist eine relative Größe. Meistens wird Erfolg über quantifizierbare Werte erfasst:

  • Quantifizierbar über Titelanzahl;

  • Quantifizierbar über Umsatz;

  • Quantifizierbar über Deckungsbeiträge (die bei mir höchst unterschiedlich ausfallen);

  • Quantifizierbar über das Betriebsergebnis oder den Gewinn nach Steuern;

  • Quantifizierbar über die Eigenkapitalrentabilität.

 

In diesem Sinne habe ich zwar durchaus einen bescheidenen Erfolg, aber vom Marktvolumen her betrachtet ist mein Verlag völlig irrelevant: 30 Titel, 80.000 € Umsatz im Jahr 2011 – dies sagt doch fast alles. Ich bezeichne mich deshalb auch lieber als ›Kleingewerbetreibender‹, der noch nicht einmal im Handelsregister eingetragen ist. In meinem Fall liegt auch keine GmbH vor, geschweige denn eine AG, mit der man auf eine gewisse Größe schließen könnte. Und so beziehe ich auch kein festes Gehalt für meine Arbeit, sondern entnehme mir regelmäßig Beträge »in Hoffnung auf einen künftigen Gewinn« – wie mein Steuerberater meine monatlichen Geldentnahmen bezeichnet.

Als Kleinverlag gehöre ich nominell zu den Tausenden von Verlagen, die ihre Publikationen im VlB listen, – und meilenweit entfernt sind von den Werten der TOP-Firmen in den Rankings, die Harenberg und horizonte jährlich recherchieren lassen und veröffentlichen.

 

 

Kleinverlage spielen auf einer anderen Klaviatur

 

Und Kleinverleger spielen auf einer anderen Klaviatur. Nicht nur, dass sie geringe ökonomische Ressourcen haben, und keine 200.000 € Investitionsvolumen von der Bank, geschweige denn Bürgschaften für ein größeres Programm erhalten. Damit fehlt das Geld für größere Investitionen. Man spielt eben anders. Aber nicht zwangsläufig schlechter.

Das sieht in Großverlagen anders aus. Hier sind Entscheidungsträger häufig Geschäftsführer, denen die ökonomische Verantwortung für das Unternehmen übertragen worden ist. Häufig erhalten sie Vorgaben durch die Inhaber, häufig erhalten sie Vorgaben durch Controller, die sich auch im Entgelt der Beschäftigten (Festen und Freien) niederschlagen und häufig haben sie genau definierte Zielvorgaben zu erfüllen: den Marktanteil x im Zeitraum y zu steigern oder die Eigenkapitalrendite um 10 Prozent zu erhöhen, oder oder oder … Und dann liegen messbare Erfolge vor.

Aber in meinem Fall? – In einem vorbereitenden Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse sagte Herr Dr. Fetzer zu mir: »Aber Sie sind doch jetzt mehr als 10 Jahre auf dem Markt – und es gibt Ihren Verlag immer noch.« In diesem Sinne bekommt das Wort ›Erfolg‹ eine völlig andere Nuance und Wertigkeit. Da schwingt Ver- und auch ein wenig Bewunderung mit.

Was sind also meine so genannten Erfolgsfaktoren? Ich habe bereits dargelegt, dass eine Analyse zwangsläufig persönlich (und damit auch schlecht übertragbar) ausfallen muss. Und ich muss – wenn es um meine spezifischen Erfolgsfaktoren geht – auch manchmal Gesichtspunkte in den Raum stellen, die vielleicht für andere Verlage irrelevant oder sogar un- bzw. sogar kontraproduktiv sind.

Doch zuvor ein Blick zurück: Als langjähriger Berufsschullehrer in Seckbach an den Schulen des deutschen Buchhandels wollte ich für die bzw. ›meine‹ Azubis einfach nur gute Bücher zum Bestehen ihrer Abschlussprüfung machen und stieg 1999 mit der Nummer 1 der Edition Buchhandel in die Verlagswelt ein. Schnell wurde aus dem lautmalerischen ›Bücher für Buchhändler‹ der Slogan ›Bücher für Medienberufe‹.

Vor allem mit einer Frage musste ich mich in der Gründungsphase auseinandersetzen. Warum bedienten nicht andere Verlage dieses Segment bzw. machten es irgendwie halbherzig? Mit meiner ersten Vermutung lag ich richtig: Das Marktsegment ist zu klein, der ökonomische Ertrag zu gering – und vor allem in Zeiten des Strukturwandels unsicher. Erfolg und Risikopotenzial also schlecht berechenbar. – Mit dieser simplen Erkenntnis im Rücken kann man nur weitermachen, wenn man irgendwie besessen ist, das heißt eine Leidenschaft für ein Thema oder eine Zielgruppe mitbringt.

 

 

Erfolgsfaktoren

 

Engagement für ein Thema. Leidenschaft. Leidenschaft für die sprachliche Umsetzung der Ausführungen und Inhalte. Auch eine Leidenschaft für die Zielgruppe: Wie sie ›tickt‹, wie sie denkt und was sie braucht. Das Thema miterleben und aus verschiedenen Perspektiven mitgestalten: als Buchhändler und Verleger, als Theoretiker und Praktiker. Als Mensch des Ausgleichs.

 

Kundenzufriedenheit. Wird die Leidenschaft für das Thema und die Art der Aufbereitung von der Zielgruppe akzeptiert, entsteht Leser- bzw. Kundenzufriedenheit. Und aus dieser Zufriedenheit resultiert das Weiterempfehlen. Je mehr Multiplikatoren, desto … Für Kleinverlage ist diese Vorgehensweise in Anbetracht eines kleinen Werbetats ein existenzielles Muss.

 

Autorenzufriedenheit. Autoren sind das ›höchste Gut‹. Denn ohne deren Urheberleistung hätte man keine Verwertungsrechte. Das klingt sehr traditionell und ist es auch, darf aber bei der ganzen Diskussion um Prozessoptimierungen im digitalen Workflow nicht vergessen werden.

Ich versuche meinen Autoren, die fast alle in ›Brot und Arbeit‹ stehen, ein Umfeld zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen. Deshalb praktiziere ich bewusst keine technisierte Projektabwicklung. Für viele meiner Autoren ist die Zeit für Gespräche und Austausch fast genauso wichtig wie das Honorar. Autorenpflege ist und bleibt verlegerische Basisarbeit – die manche großen Verlage heute vermissen lassen.

 

Networking. Ohne die Nähe zum (Ziel)Markt läuft gar nichts. Sie ist nicht nur aus absatzpolitischen Gesichtspunkten (Multiplikatoren) geboten, sondern hier findet man auch seine Themen und Autoren. Und in meinem Fall gibt es die Zwischenbuchhändler, die mein Engagement für gut gemachte Bücher für unsere Branche durch Anzeigen sponsern und mir meine Unabhängigkeit bewahren helfen.

 

Nebentätigkeiten. Als Spezialist in einem bestimmten Segment bin ich als Berater für Buchhandlungen und Verlage, als Seminarleiter, als Referent, als Autor tätig. Das Thema wird ständig aus anderen Blickwinkeln behandelt oder beschrieben. Diese Tätigkeiten sind vielschichtig, interessant – und so wird es mir selten langweilig. Außerdem verdiene ich so Geld ohne hohe Vorlaufkosten. Nebentätigkeiten sind somit integrativer Bestandteil meines Unternehmenskonzeptes. Nicht umsonst firmiere ich unter ›Verlag und Beratung‹.

 

Positionierung. Durch das Thema. Nicht Verzetteln. Den Themen treu bleiben, die mit ›writing – publishing – selling‹ ohnehin weit gefasst sind.

Aber auch als Independent. Mein Credo ›Als Independent für Independents‹ bedeutet, dass ich mich der Vielschichtigkeit unserer Branche verpflichtet fühle. Und – aufgrund meiner Biografie – auch dem Nachwuchs der Branche verpflichtet. So fördere ich manchmal Nachwuchsprojekte, auch im universitären Bereich.

Positionierung heißt aber auch: für Überzeugungen eintreten. Zum Beispiel, dass Mainstream nicht alles ist, dass man aufgeschlossen bleiben muss, vor allem gegenüber Neuem und auch Schwierigem.

 

Authentizität. All dies Genannte will gelebt und in der Öffentlichkeit vertreten werden.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Ich bin überzeugt davon, dass das Prinzip ›Geben und Nehmen‹ das einzige Richtige im Umgang mit Menschen ist – auch im Arbeitsalltag. Dies betrifft damit auch den Umgang mit Autoren, Käufern, Auftraggebern, Multiplikatoren etc. So habe ich nie versucht, Interessen einseitig zu meinen Gunsten durchzusetzen.

 

Markterweiterung. Nicht im Hier und Jetzt stehenbleiben, sondern weiter denken. Sich ständig neu definieren in einem sich wandelnden Markt, der mit ›writing – pusblishing – selling‹ ohnehin breit angelegt ist. An der Marktentwicklung arbeiten, neue Zielgruppen erschließen, neue Distributionskanäle nutzen.

 

Werde ich nach den Schwachpunkten eines inhabergeführten Kleinverlags gefragt, heißt die Antwort: man hat nur ein begrenztes Zeitbudget. Theoretisch kann man vieles outsourcen, aber es bleibt unbestritten, dass man sich nur langsam in neue Trends oder neue Facts im Markt einarbeiten kann, die von Spezialisten-Teams entwickelt worden sind, die damit einem Allrounder zwangsläufig überlegen sein müssen. Und so muss man ständig mit Baustellen und Schwachstellen leben und arbeiten. In meinem Fall betrifft dies (als digital immigrant) Online-Vertriebsstrukturen, E-Marketing sowie die Entschlüsselung des Geheimnisses der ISBN-A.

Aber sollte mich jemand fragen: »Würdest du es heute noch einmal so machen?« lautet die Antwort: »Ja – vermutlich professioneller, optimierter – aber nicht mit weniger Leidenschaft.«

 

 

Projekte ab 2012

 

Für die kommenden Jahre stehen zwei größere Langzeitprojekte an (die Vorarbeiten laufen bereits).

 

texturen-online.net – Online-Zeitschrift für den Literaturbetrieb

Ich stelle mir dieses Projekt als Forum für Literatur- und Kulturinteressierte vor. Die Beiträge kommen von Praktikern und Wissenschaftlern, wobei nicht nur wissenschaftlich Arrivierte, sondern auch Studenten mit Beiträgen glänzen können. Dieses »Treiben im digitalen Raum ohne ökonomische Selbstzensur« wird von einem Herausgeberteam koordiniert, das noch auf der Suche nach gemeinsamen Spielregeln ist. Besonders aktiv und Website-Koordinator: Michael Buchmann aus Karlsruhe.

 

CampusBasics – eine Buchreihe für Studierende im Bereich Buchwissenschaft und angrenzende Studiengänge. Gleichzeitig aber auch als Dialog-Forum für Dozenten im universitären Bereich gedacht. Für mich wichtig: ein uni-übergreifendes Projekt. Als Herausgeber fungieren die Mainzer Wissenschaftler Prof. Ernst Fischer und Dr. Anke Vogel. Letztere ist anwesend und wird in Pausengesprächen sicherlich gerne über dieses ambitionierte Projekt Auskunft geben.

 

 

Ein Blick zurück: Passagen aus einem BuchMarkt-Artikel

 

Doch kommen wir abschließend noch einmal zum Thema ›inhabergeführter Kleinverlag‹ zurück. Vor rund 10 Jahren habe ich für die Zeitschrift BuchMarkt einen Beitrag zum Thema Independents geschrieben, der mir seltsam aktuell vorkommt, und aus dem ich ein paar Passagen zitieren möchte:

»Nein, unabhängig sind sie ganz und gar nicht, die Independents, und sie wissen um ihre Abhängigkeiten in einem sich rasant verändernden Markt. Sie wissen es genau wie die Großen, wie Bertelsmann, Holtzbrinck, Springer & Co., die auch mit ihren Abhängigkeitsverhältnissen leben müssen. Sie sind abhängig von Kursschwankungen, von fähigen Programm-Managern in den unterschiedlichen strategischen Geschäftsfeldern, von einem gesunden Programm- und Erwerbs-Portfolio, von der Dominanz des Controlling, von Aktionären, die 15 % Rendite erwarten etc. etc. Hiervon sind die Independents frei, und die Freiheit von derartigen Abhängigkeiten rechtfertigt zum Großteil ihren Ruf und ihr Ansehen in der Branche und der Öffentlichkeit.

Die Independents sind nichts ohne ihre Verleger. Dies klingt banal – denkt man doch bei Verlagen wie Wagenbach und Christoph Links ohnehin unmittelbar an die gleichnamigen Verlegerpersönlichkeiten. Sicherlich bestimmen auch in anderen Verlagshäusern Persönlichkeiten die Unternehmensidentität, aber in ihren Häusern sind die Abteilungen zwangsläufig differenziert organisiert und die Wege weiter als in einem Kleinverlag, wo der Verleger noch selber seine Post öffnet oder mit seinem Hersteller im vielleicht einzigen Nebenzimmer um die Konzeption der nächsten Schutzumschläge ringt.

Es schwingt schon ein gewisser Stolz mit, wenn man mit Kleinverlegern spricht, die es ›geschafft‹ haben, die von ihren anvisierten Zielgruppen wahrgenommen und positiv aufgenommen werden. Und trotzdem: Bei allem Stolz sind sie bescheiden geblieben, denn sie wissen um die Tücken und Gefahren des Marktes, die Unwägbarkeiten zwischen zeitweisem Run auf ihre Auflagen, aber auch um die zahlreichen Ladenhüter – oder sollte man sie nicht besser wegen ihrer Omnipräsenz in den Warenbeständen und Statistiken Lagerhüter nennen? Ständig am Rande des wirtschaftlichen Abgrunds. Klaus Wagenbach sei in diesem Zusammenhang zitiert. Er schrieb einmal: ›Es erfordert viel Mühe und Nerven, ein konkursreifes Unternehmen erfolgreich zu führen.‹

Ohne Kreativität und Innovationsbereitschaft, ohne das Aufspüren von interessanten Trends, die nicht durch ein Portfolio eines größeren Verlagsspektrums abgesichert sind, ist die Vielfalt der heutigen multikulturellen Gesellschaft nicht denkbar und praktizierbar. Gerade dies leisten die Independents: die Bereicherung unserer Kultur, indem sie Eigenwilliges publizieren – auch abseits des Mainstreams und des stromlinienförmigen Kulturergusses der großen Massenmedien.«

 


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