TexturenWissenschaftskunde

 

Die Warengruppe Religion/Theologie

von Michael Buchmann

So viele verschiedene Religionen es auch gibt, ein Merkmal ist ihnen gemeinsam: sie gründen auf Glauben. Gegenstände des Glaubens sind, neben Gottheiten, häufig bestimmte Dogmen – Glaubenssätze, die nicht weiter hinterfragt werden können und dürfen. Häufig stützen diese Dogmen ihre Autorität auf Texte, die als heilig empfunden werden. Religionen prägen und beeinflussen das menschliche Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen, was sich in der Ausübung von Riten niederschlägt. In manchen Religionen überwachen zudem Institutionen die Tradierung der Dogmen und Ausübung der Riten.

Während die Religion vom Glauben an eine Gottheit und der Ausübung dieses Glaubens lebt, bezieht sich die Theologie (lat. Lehre von Gott) auf eine bestimmte Religion. Die Christliche Theologie ist an den Hochschulen institutionell verankert und an die evangelische oder katholische Konfession und die jeweilige Kirche gebunden. Sie beschäftigt sich mit dem Studium der christlichen Quellentexte, der Systematik des Glaubens und der Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Glaubenspraxis. Damit ist die Dreiteilung in historische, systematische und praktische Theologie vorgegeben. Die Theologie versteht sich zwar als Wissenschaft, aber ihre Erkenntnisse sind erstens an die Dogmen gebunden und zweitens der Institution Kirche untergeordnet. Bei der Religionswissenschaft liegt der Fall anders: Diese universitäre Disziplin thematisiert wissenschaftlich-vorbehaltlos alle Religionen.

 

Verzweigte Zielgruppen Auch wenn die Anzahl stetig abnimmt, machen die Studierenden und Lehrenden der Theologie eine wichtige Zielgruppe dieser Warengruppe aus. Neben exakten Bibelübersetzungen interessieren sie sich für Fachbücher, vorrangig zur Dogmatik und Exegese. Eine weitere Zielgruppe sind Mitarbeiter der Institution Kirche, wie Pfarrer und Diakone, Laienhelfer und ehrenamtliche Mitarbeiter. Hier stehen neben Bibeln, Nachschlagewerken und theologischen Fachbüchern insbesondere Bücher zur praktischen Theologie bzw. Gottesdienstpraxis im Vordergrund. Außerdem sind Religionslehrer und Katecheten wichtig, für die beruflich bedingt besonders religionspädagogische Titel wichtig sind.

Sich als christlich verstehende nicht-professionelle Kunden greifen hingegen zu den Büchern zur Glaubensausübung wie Gesangsbüchern, aber auch zu Sachbüchern, insbesondere Erbauungsbüchern. Je religiös überzeugter die Kunden sind, desto mehr erwarten sie ein entsprechendes explizites ›Glaubensbekenntnis‹ der Buchhandlung. Dieser Wunsch nach Identifikation bei gleichzeitiger Erwartung eines tiefen Sortiments hat dazu geführt, dass es eine Vielzahl – natürlich regional verschieden – spezialisierter Buchhandlungen gibt und mit den Alpha-Buchhandlungen sogar ein filialisiertes Unternehmen. Die Identifikation mit dem Inhalt führt zu einem affirmatorischen, das heißt bejahenden Lesen, das für die Lektüre religiöser Texte wesentlich ist.

Daneben gibt es viele allgemein an Religion Interessierte, die sich nicht auf Dogmen festlegen lassen wollen, aber trotzdem eine ›Rückbindung‹ (Übertragung von lat. religio) suchen. Auf ihrer zwar nicht immer zielgerichteten aber darum nicht unernsthaften Sinnsuche greifen sie hauptsächlich zu Sachbüchern über Lebenshilfe, Meditation, Mystik, Pilgern und Weltreligionen. Aber auch Biografien bekannter religiöser Persönlichkeiten, wie Dietrich Bonhoeffer, Mutter Teresa oder dem Dalai Lama, sowie Geschenkbücher, die die einheitliche Warengruppensystematik pauschal der Warengruppe Belletristik zuordnet, sind für diese Zielgruppe von herausragender Bedeutung.

 

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Lagerordnung […] Stattdessen bietet sich als erstes Ordnungskriterium das Prinzip vom Allgemeinen zum Besonderen an. Nach den allgemeinen Titeln und den Nachschlagewerken sollten zunächst die Weltreligionen stehen, danach die Religionswissenschaft. Im Anschluss kann man zum Spezielleren, zur Religion des Christentums übergehen. Christlich ausgerichtete Buchhandlungen platzieren häufig wie selbstverständlich zunächst die christliche Literatur vor allen anderen religiösen Themen.

Die verschiedenen Bibelausgaben sollten getrennt nach konfessioneller Ausrichtung stehen. Gefolgt von den Gesangsbüchern, Losungen und anderen Titeln zur Glaubensausübung, ebenfalls nach Konfession getrennt. Je nach Größe und Ausrichtung der Buchhandlung und je nach Zielgruppe kann dann eine weitere Gliederung sinnvoll sein. Für eine Buchhandlung mit allgemeinem Sortiment wird es genügen, alle weiteren Titel geordnet nach dem Alphabet hinzuzufügen.

Einen besonders großen Einfluss hat zweifellos der Zyklus des Kirchenjahres. Wichtig sind besonders diejenigen kirchlichen Feiertage, die auch außerhalb der Institution Kirche von großer gesellschaftlicher Bedeutung sind, wie Weihnachten und Ostern. Aber auch Feiertage wie Pfingsten und die Kommunions- sowie Konfirmationszeit sollte man als Buchhändler entsprechend berücksichtigen. Für die Lagerordnung bereitet dies allerdings kaum Probleme, da man saisonale Titel gemeinhin auf Aktionstischen präsentiert. Als Bücher zum Kirchenjahr gelten gemeinhin:

 

  • Gesangbücher: Gotteslob (katholisch), Evangelisches Gesangbuch;
  • Die Losungen (der Herrnhuter Brüdergemeinde);
  • Messbücher (Schott-Meßbuch), Lesejahre (beides katholisch);
  • Katechismen.

 

Ebenfalls gesondert präsentiert erfreuen sich Non-Books in dieser Warengruppe weiterhin großer Nachfrage, und zwar nicht nur Bibel- und Gesangbucheinbände, sondern auch Devotionalien wie Kreuze, Rosenkränze, Kerzen, Engel und vieles mehr.

 

Quellentexte der Religionen Das am häufigsten verkaufte Buch der Welt ist die Bibel, der Quellentext des Christentums. Der Text der Bibel ist keineswegs homogen, er ist über viele hundert Jahre entstanden. Anerkannte Bestandteile der Bibel sind das Alte Testament und das Neue Testament. Dazwischen liegen die ›Spätschriften‹, die so genannten Apokryphen bzw. Deuterokanonischen Bücher. Für die katholische Konfession sind diese Spätschriften Bestandteil der Bibel, für die evangelische nicht. Trotzdem gibt es einige evangelische Bibelübersetzungen wahlweise mit Spätschriften.

 

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Die meisten der Bibelausgaben liegen darüber hinaus in vielen verschiedenen Ausstattungen vor; bekannt sind vor allem die Familienbibel, die gerne zur Hochzeit verschenkt wird, und die Senfkornbibel, eine kleinformatige Ausgabe. Bibellexika liefern Erklärungen und Hintergrundinformationen zu vielen biblischen Begriffen, Orten und Personen. Die bekanntesten Lexika sind Herders neues Bibellexikon und das Große Bibellexikon des Brockhaus Verlags. Nachschlagewerke rund um die Bibel sind die Konkordanzen und die Synopsen.

Konkordanzen führen für viele im Bibeltext vorkommende Stichworte entsprechende Versangaben an. Hier kann man nachschlagen, wo genau welches Wort oder welcher Personenname zu finden ist. Entsprechende Verlagsprodukte liegen für die Luther-, Elberfelder-, Zürcher- und die Einheitsübersetzung vor, auch zum Novum Testamentum Graece. Synopsen drucken die Evangelien nebeneinander ab, sodass man die Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen den Evangelien nachvollziehen kann. Es gibt die Luther-, Stuttgarter- und Neue Zürcher Evangelien-Synopse.

 

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Quellentexte der Weltreligionen

Islam Der Islam beruft sich auf den Koran. Zwar nicht denselben Stellenwert aber immer noch einen bevorzugten genießen die Hadithen, die Aufzeichnungen und Kommentare über den Propheten Mohammed.

 

Judentum Das Judentum beruft sich zunächst auf die Tora, die fünf Bücher des Mose, die auch Bestandteil des Alten Testaments der christlichen Bibel sind. Die Sammlungen der Mischna und Gemara bestehen in Übertragungen religiöser Prinzipien auf lebensweltliche Fragen und bilden zusammen den Talmud.

 

Hinduismus Der Begriff ›Hinduismus‹ ist eine Fremdzuschreibung der britischen Kolonialmacht, die damit die verschiedenen Religionen und Riten rund um den Fluss Hindus zusammenfasste. Die heiligen Texte bezeichnet man mit dem Sammelbegriff Veden. Sie umfassen unter anderem die Rig-Veda, Bhagavad Gita und die Upanischaden.

 

Buddhismus Der Buddhismus kennt mehrere kanonische Schriftsammlungen. Die bekannteste ist der Pali-Kanon, der die Lehrreden des historischen Buddhas wiedergibt.

 

Daoismus Der von allen Anhängern als heilig anerkannte Text des Daoismus ist das Daodejing, das Laozi zugeschrieben wird.

 

Konfuzianismus Der Konfuzianismus wird gewöhnlich als Religion bezeichnet, auch wenn er überwiegend in ethischen Handlungsanweisungen besteht. Er bezieht sich auf Die fünf klassischen Bücher und Die vier Bücher, die nicht von Konfuzius selbst, sondern von seinen Schülern stammen.

 

Tendenzen »Die Religion geht nicht mehr zur Kirche.« – damit lässt sich die derzeitige gesellschaftliche Entwicklung pointiert zum Ausdruck bringen. In der Verlagslandschaft haben sich diese Veränderungen bereits deutlich sichtbar niedergeschlagen, indem religiöse Fachverlage verstärkt Bücher zum Thema ›Besser leben‹ publizieren. Für manche Buchhandlungen mag es deshalb durchaus sinnvoll sein, die Warengruppe Religion/Theologie in dieser Rubrik aufgehen zu lassen.

Ein stetig wachsendes Interesse erfährt außerdem der Zusammenhang zwischen Religion und Politik. Dabei steht das Problem des Fundamentalismus im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte. Der Begriff bezeichnet die Übertragung religiöser Dogmen auf möglichst viele und insbesondere politische Gesellschaftsbereiche. In welchem Maße Staat und Kirche/Religion getrennt werden, entscheiden einzelne Staaten allerdings höchst unterschiedlich. […]

 

Unkorrigierter und gekürzter Auszug aus dem Buch Klaus-W. Bramann, Michael Buchmann, Michael Schikowski (Hg.): Warengruppen im Buchhandel. Grundlagen - Allgemeines Sortiment - Fachbuch, Frankfurt am Main, Bramann Verlag, 2011.



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