TexturenDebatten
Tat Text Täuschung
von Michael Schikowski
Wissenschaftliche Texte, so wird man augenblicklich häufiger belehrt, seien etwas ganz anderes als politische Taten. Der inzwischen aufgedeckte Täuschungsversuch eines Ministers in einer wissenschaftlichen Arbeit kann aber nicht von seinem politischen Tatendrang getrennt werden.
Wenn diese Trennung sich durchsetzt, hat sich der Täuschungsversuch vom wissenschaftlichten Kontext in den politischen fortgesetzt.
Warum ist eine Trennung nicht möglich? Weil auch politisches Handeln, allemal das politische Reden, an Texte gebunden ist, ein jenseitiges Reich der reinen Taten, welche es auch seien, existiert nicht. Daher ist der Minister wie die Politik überhaupt an Taten vermittelnde Texte gebunden. Daher ist man auch in der Politik auf die Glaubwürdigkeit ihrer Texte angewiesen. Eben weil es darin niemals letzte Sicherheit geben kann und damit alles heikel bleibt, ist man auf Glaubwürdigkeit angewiesen, ganz so wie in der Wissenschaft.
Der Souverän
Wenn man also die Wissenschaft der Politik opfern zu können glaubt, was ist es, das diese Politik so wertvoll erscheinen lässt? Die Souveränität vielleicht, denn hier wird Politik als Gelassenheit und philosophische Weisheit über allen Parteien demonstriert. Der Souverän, das Volk, liebt solche unpolitische Souveränität offensichtlich.
Dass dieses Darüberstehen als vermeintlich ältere philosophische Haltung ein Missverständnis ist, dem nicht zuletzt der Minister zu unterliegen scheint, hat jüngst Kurt Flasch für die mittelalterliche Philosophie, die es ausgezeichnet zu Zanken verstand, nachgewiesen.
Die Verwahrlosung der Sitten durch die neuen Medien möchte man allerdings lieber irgendwie sozialisieren. So trägt nicht der Minister und sein fehlerhafter Umgang mit Texten anderer die Schuld, sondern die durch diese Medien gegebenen Möglichkeiten, Fehler zu entdecken und öffentlich zu machen.
Die Selbstbeobachtung der Guttenberg-Galaxis
Da steht insgesamt eine Entwicklung ins Haus, die sich als akademisches Wikileaks abzuzeichnen beginnt. Das Bildungssystem, das die gut Ausgebildeten in der Mehrzahl nicht zu integrieren weiß, besteht ja schon länger. Es produziert also selbst diejenigen, die sich mit Inbrunst der Entlarvung derer widmen, die ihnen den Übergang vom akademischen Abschluss zum ökonomischen Anschluss verweigern.
Kurzfristig bedeutet all dies aber vermutlich, dass man auf der Seite der Wissenschaft zu neuen Verhaltensweisen kommen wird, so wird in Zukunft ein weit geringfügiger Täuschungsversuch in Hausarbeiten, der früher vielleicht noch einmal unter der Hand bereinigt werden konnte und glimpflich ausging, zur sofortigen Exmatrikulation führen. Auch auf Bundeswehrhochschulen.
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