TexturenGeschichte

 

Ruhm ist immerhin eine der Belohnungen, welche der Sänger erstrebt. Noch früher aber strebt er nach materieller Begünstigung. [...] Die Poesie ist also schon in alter Zeit eine Art von Waare. Ihr Werth regelt sich nach Angebot und Nachfrage, nach dem Verhältniß von Production und Consumtion.

(Wilhelm Scherer)

 

 

Wer die Literaturgeschichte der letzten 200 Jahre zur Kenntnis nimmt, wird auch begreifen, daß von Medien schweigen sollte, wer vom Medium Geld nicht reden möchte.

(Jochen Hörisch)

 

von Michael Buchmann

 

Literatur ist notwendigerweise Ware. Zumindest sobald vor oder während des Schreibens oder der Projektplanung die Absicht aufkommt, dass der Text Leser finden soll. Dann bewegt er sich zwangsläufig im Kreislauf zwischen Angebot und Nachfrage und damit zwischen "Production" und "Consumtion". Manche Texte sind nur Ware, also lediglich durch den Markt zu erklären, darüber hinaus aber von keinem weiteren Interesse. In den meisten Fällen allerdings ist Literatur nicht nur, aber eben auch Ware. Es stellen sich daher an diese Texte einige Fragen: Wie beeinflusst der Literaturbetrieb konkrete (literarische) Texte? Wie versuchen sich Autoren und Texte innerhalb dieses Literaturbetriebs zu positionieren? Wie beschreiben sie ihn und wie versuchen sie ihn dadurch zu verändern?

 

Dieses Erkenntnisinteresse am Zusammenhang zwischen dem Literaturbetrieb einerseits und den produzierten Texten andererseits ist wie sein Gegenstand zweigeteilt. Die Untersuchung des Einflusses ökonomischer Bedingtheiten auf die konkrete Verfasstheit von Texten führt so nicht nur zu einem besseren Verständnis des Literaturbetriebs, sondern auch der von ihm produzierten Texte.

 

Anhand einiger ausgewählter Beispiele soll der erwähnte Einfluss des Literaturbetriebs auf die konkrete Verfasstheit von Texten anschaulich dargestellt werden. Neben diesen Artikeln werden die Primärtexte - soweit gemeinfrei - auf diesem Portal den Lesern zur weiteren vertiefenden Lektüre zur Verfügung gestellt.

 

Es genügt aber nicht, diese Beeinflussung als solche nur zu beschreiben, denn sie muss auch erklärt werden. Dazu bedarf es zweierlei: erstens der Rückführung auf die den Text bedingenden Umstände oder Regeln. Und zweitens gilt es noch die jeweiligen Intentionen der Akteure und die jeweilige Einschätzung der Intentionen der Akteure untereinander zu berücksichtigen.

 

Wenn zum Beispiel ein Autor in einem fiktionalen Text den Literaturbetrieb beschreibt, darf man dies nicht - wie nur zu oft fälschlicherweise und vorschnell angenommen wird - als historisches Dokument der tatsächlichen Beschaffenheit des Literaturbetriebs interpretieren, sondern man muss sich vielmehr fragen, wie der jeweilige Autor seine Rolle im historischen Literaturbetrieb durch diese Darstellung vorteilhaft beeinflussen wollte.

 

So gelangt man zu einer Sicht des Literaturbetriebs als "Feld strategischer Möglichkeiten". Die Struktur bzw. Textur des Literaturbetriebs und der ökonomischen Rahmenbedingungen, die sich selbstverständlich im Lauf der Zeit änderten und je nach historischem Gegenstand rekonstruiert werden müssen, stellen die Rahmenbedinungen für alle Akteure, wie beispielsweise Verleger, Buchhändler und Autoren dar.

 

Innerhalb dieser Bedingtheiten werden von den Einzelpersonen verschiedene Strategien verfolgt, um sich innerhalb dieser Struktur möglichst vorteilhaft zu positionieren. Dabei muss die jeweilige Einschätzung des Einzelnen weder zutreffend sein noch notwendigerweise das tatsächliche Optimum darstellen. 

Und außerdem haben stets besonders clevere und mutige Akteure versucht, die Regeln zu ihren Gunsten zu verändern.

 

Auswahlliteratur (weitere finden Sie hier)

  • Bluhm, Detlef: Von Autoren, Büchern & Piraten. Kleine Geschichte der Buchkultur, Düsseldorf 2009.
  • Goldfriedrich, Johann: Geschichte des Deutschen Buchhandels vom Westfälischen Frieden bis zum Beginn der klassischen Literaturperiode (1648-1740), Leipzig 1908.
  • Goldfriedrich, Johann: Geschichte des Deutschen Buchhandels vom Beginn der klassischen Litteraturperiode bis zum Beginn der Fremdherrschaft (1740-1804), Leipzig 1909.
  • Goldfriedrich, Johann: Geschichte des Deutschen Buchhandels vom Beginn der Fremdherrschaft bis zur Reform des Börsenvereins im neuen Deutschen Reiche (1805-1889), Leipzig 1913.
  • Griep, Hans-Joachim: Geschichte des Lesens. Von den Anfängen bis Gutenberg, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005.
  • Kapp, Friedrich: Geschichte des Deutschen Buchhandels bis in das siebzehnte Jahrhundert, Leipzig 1886.
  • Lahire, Bernard: La condition littéraire. La double vie des écrivains, Paris 2006.
  • Rietzschel, Evi (Hg.): Gelehrsamkeit ein Handwerk? Bücherschreiben ein Gewerbe? Dokumente zum Verhältnis von Schriftsteller und Verleger im 18. Jahrhundert in Deutschland, Leipzig 1982.
  • Schmidt, Rudolf: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Beiträge zu einer Firmengeschichte des deutschen Buchgewerbes, 6 Bde., Berlin 1902-1908.
  • Scholz, Leander: Die Industria des Buchdrucks, in: Albert Kümmel/Leander Scholz/ Eckhard Schumacher (Hg.): Einführung in die Geschichte der Medien, Paderborn 2004.
  • Schulze, Friedrich: Der deutsche Buchhandel und die geistigen Strömungen der letzten hundert Jahre, Leipzig 1925.
  • Stein, Peter: Schriftkultur. Eine Geschichte des Schreibens und Lesens, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2006.
  • Turnovsky, Geoffrey: The Literary Market. Authorship and Modernity in the Old Regime, Philadelphia 2009.
  • Widmann, Hans (Hg.): Der deutsche Buchhandel in Urkunden und Quellen, 2 Bde., Hamburg 1965.
  • Wittmann, Reinhard: Geschichte des deutschen Buchhandels, durchges. und erw. Aufl., München 1999.
  • Woodmansee, Martha: The Author, Art and Market. Rereading the History of Aesthetics, New York 1994.

 


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