TexturenGeschichte
Nun sag, wie hast du's mit dem Geld?
von Michael Buchmann
Man behauptet zuweilen noch gerne, im Literaturbetrieb bestünde zwischen dem Ökonomischen einerseits und dem „Sittlichen“ bzw. Kulturellen andererseits eine gewisse Unvereinbarkeit. Möchte man diese Behauptung mit einer Autorität untermauern, beruft man sich für gewöhnlich auch auf diesen Ausspruch Goethes in einem Brief an den Verleger Cotta vom 10.05.1812: „Was mich betrifft, so fühl ich immer aufs neue wie peinlich es ist, mit Personen, mit denen man nur in sittlichem Verhältnis zu stehen wünscht, über ökonomische Gegenstände zu handeln.“ Man würde dieses Zitat gründlich missverstehen, würde man es dahingehend deuten, dass Goethe Honorarverhandlungen als solche peinlich gewesen wären. Denn das Zitat lässt den durchaus zutreffenden Rückschluss zu, dass es Goethe keineswegs peinlich war mit denjenigen, mit denen er gerade nicht in einem nur „sittlichen Verhältnis zu stehen“ wünschte, über Ökonomisches zu sprechen. Dies belegt ein weniger bekannter Ausspruch von ihm: „Die Geschäfte müssen abstract, nicht menschlich mit Neigung oder Abneigung, Gunst pp. behandelt werden; dann setzt man mehr und schneller durch. Laconisch, imperativ, prägnant.“
Wie sehr Goethes Geschäftsgebaren als Autor tatsächlich dieser Maxime entsprach, verdeutlichen zwei Beispiele. Um überhaupt eine rechtlich zuverlässige Grundlage für die ökonomische Verwertung
seiner Ausgabe letzter Hand schaffen zu können, musste Goethe sogenannte Privilegien jedes einzelnen aller 39 Kleinstaaten des Deutschen Bundes erwirken. Dies gelang ihm auch, wobei ihm seine
Prominenz und seine Beziehungen zu Gute kamen. Dies war ein einmaliger Vorgang, der sonst niemandem gelungen war. Die Ausgabe letzter Hand erschien daraufhin zwischen 1827 und 1831. Aber selbst
sämtliche Privilegien konnten Goethes Verleger nicht vor den Nachdruckern schützen; die Ausgabe letzter Hand wurde kurzerhand in Frankreich und der Schweiz nachgedruckt. Und noch etwas hatte
Goethe trotz seiner 39 Privilegien nicht verhindern können: „Daß Hr. Vieweg 'Hermann und Dorothea' auch als ersten Band neuster Schriften ausgibt, daran tut er nicht wohl, indem hierüber zwischen
uns nichts verabredet worden.“
Das zweite Beispiel für Goethes Geschäftstüchtigkeit ist seine Verhandlungsführung um das Autorenhonorar für sein Epos „Hermann und Dorothea“. Am 16.01.1797 schrieb er: „Was das Honorar betrifft
so stelle ich Herrn Oberconsistorialrath Böttiger ein versiegeltes Billet zu, worinn meine Forderung enthalten ist und erwarte was Herr Vieweg mir für meine Arbeit anbieten zu können glaubt. Ist
sein Anerbieten geringer als meine Forderung, so nehme ich meinen versiegelten Zettel uneröffnet zurück, und die Negotiation zerschlägt sich, ist es höher, so verlange ich nicht mehr als in dem,
alsdann von Herrn Oberconsistorialrath zu eröffnenden Zettel verzeichnet ist.“ Es wäre falsch anzunehmen, es sei Goethe um eine plumpe Maximierung des Honorars gegangen. Dafür wären andere
Auktionsmodelle zweckdienlicher gewesen. Mit seinem Modell versuchte er vielmehr zwei Dinge zu erreichen: erstens nicht weniger als die Summe für seinen Text zu bekommen, als er für passend
hielt. Dafür sorgte der Mechanismus, dass das Geschäft, hätte Vieweg weniger als die Mindestsumme geboten, nicht zu Stande gekommen wäre. Oberhalb dieser für ihn als passend erscheinenden
Mindestsumme erwartete er ein Angebot des Verlegers, das dieser so hoch ansetzen musste, dass es für ihn gerade noch erträglich war. Würde er weniger bieten, würde er Gefahr laufen, den von ihm
erwünschten Text nicht veröffentlichen zu können. Würde er zuviel bieten, würde er Verlust machen. So konstruiert hätte dieses Modell Goethe letztlich Gewissheit über die Einschätzung des
Marktwertes seiner Bücher durch den Verleger Vieweg gegeben.
Hätte er nicht den entscheidenden Fehler begangen, dem Unterhändler Böttiger, einem Bekannten des Verlegers Vieweg, die im versiegelten Umschlag hinterlegte Mindestsumme von „Eintausend Thaler in
Golde“ zu nennen. Böttiger verriet Vieweg diese Summe und so verwundert es nicht, dass der Verleger Goethe genau diese tausend Taler als Honorar anbot. Schiller hatte seinerseits einen ganz
anderen Vorschlag für die Herangehensweise an diese Honorarverhandlung; er schrieb am 31.01.1797 an Goethe: „Was das epische Werk [Hermann und Dorothea] betrifft, so hoffe ich, Sie sind in gute
Hände gefallen. Das Werk wird einen glänzenden Absatz haben, und bei solchen Schriften sollte der Verleger billig keinen Profit zu machen suchen, sondern sich mit der Ehre begnügen. Mit
schlechten Büchern mag er reich werden ...“
Literatur
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