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Klopstocks Subskriptionsplan

von Michael Buchmann

Klopstock
Klopstock

Das Epos Messias ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Texte der deutschen Literaturgeschichte und verhalf seinem Autor Klopstock zu gewissem Ansehen und Bekanntheit. Dieser Text wurde allerdings im Erscheinungsjahr 1773 der Gesamtausgabe auch Anlass einer Auseinandersetzung mit seinem Verleger Hemmerde. Streitpunkt war die Frage, ob die Rechte zeitlich befristet oder unbefristet an den Verleger übertragen werden sollten. Der Autor schrieb: „In unserem Kontrakt ist die Zeit nicht festgesetzt, wie lange mein Gedicht Ihnen zugehören soll. a) Daraus folgt nicht, daß Sie es auf immer besitzen sollen.“ Man einigte sich nach einiger Aufregung schließlich auf eine zeitliche Beschränkung, die dem Autoren später zu Gute kommen sollte.

 

Unter anderem führte dieser Streit mit dem Verleger dazu, dass Klopstock darüber nachdachte, wie die Autoren „Eigentümer ihrer Schriften“ werden können, die seiner Ansicht nach zum damaligen Zeitpunkt allein die Verleger waren. Er erinnerte sich an ein Subskriptionsmodell in Kombination mit einem Direktvertrieb der Autoren an die Leser. Diesen Weg hatten vor ihm bereits Schriftsteller wie Zachariä, Unzer, Wieland und wohl am erfolgreichsten Alexander Pope mit seiner Homerübersetzung beschritten. Bereits vierundzwanzig Jahre vor dem Streit mit dem Verleger hatte Klopstock geschrieben: „Meine Absicht wäre wohl, … den Mess. so zu verkaufen, wie Pope seinen Homer.“ Schließlich vertrieb er, dann ebenfalls im Jahr 1773, seine Deutsche Gelehrtenrepublik nach diesem Modell. Dafür baute Klopstock eine Vertriebsstruktur auf, von der er annahm, sie würde für viele weitere Subskriptionsaktionen genutzt werden können. Er benötigte einmal sogenannte Kollekteurs, die Verpackung und Versand gegen eine Provision übernahmen und einmal sogenannte Beförderer, die die Koordination übernahmen und zwar ohne Entlohnung.

 

Wenn das Ergebnis auch ökonomisch dank des Einsatzes vieler Beförderer nicht zum Misserfolg wurde, war es dies in Hinsicht auf die Publikumsreaktion allemal. Goethe, der selbst ein Exemplar subskribiert hatte, schrieb in Dichtung und Wahrheit: „Die Bestürzung war allgemein“. Denn die steife Schilderung einer idealistischen Druidenrepublik war dem breiten Publikum vollkommen unzugänglich, und man „verschenkte nun scherzend die theuer erworbenen Exemplare“. Dass eine derartige Enttäuschung von Lesererwartungen überhaupt möglich war, ist im Modell der Subskription begründet, das die Leser dazu zwingt, ein Buch auch vor Kenntnis dessen Inhalts verbindlich zu bestellen und zu bezahlen. Daher konnte Klopstock nach diesem Desaster nur noch einmal von der Subskription und seiner dafür mühsam aufgebauten Vertriebsstruktur Gebrauch machen: nämlich mit einer Neuauflage seines Messias, ein Text, der dem Publikum dann allerdings bereits durch vorherige reguläre Auflagen bekannt war.

 

Bereits die Ankündigung der Subskriptionsaktion durch Klopstock in Periodika hatte eine lebhafte Debatte ausgelöst. Die Gegenposition zu dem Versuch, den Buchhandel zu umgehen, vertrat der Verleger Philipp Erasmus Reich. Er warf Klopstock nicht nur vor, den „Buchhandel zerstören“ zu wollen, indem er dessen Vertreter moralisch diskreditiere. Gleichwohl räumte er ein, dass es Missbrauch durch Nachdrucker gebe. Aber Reich wendete die Debatte mittels zwei Fragestellungen auch ins Grundsätzliche: nämlich erstens was der Buchhandel überhaupt sei und zweitens ob er notwendig sei. Und selbstverständlich bejaht er letztere Frage, nachdem er dargelegt hat, dass der Buchhandel nicht nur in der Verbreitung von Büchern, sondern auch darin besteht, das Publikum und seine Wünsche im Auge zu behalten, Geschäftsverbindungen aufzubauen, das Kapital risikobehaftet zu investieren und überhaupt möglichst umfangreiche Kenntnisse möglichst gewinnbringend einzusetzen. Insofern seien Klopstocks „Kollekteurs“ nichts anderes als schlechtere Buchhändler. Schließlich prognostizierte er Klopstock das Scheitern seines Vorhabens.

 

Eine differenziertere Position als die beiden Kontrahenten vertrat der Nationalökonom Johann Albert Heinrich Reimarus. Er wies darauf hin, dass die Spezialisierung des Buchhandels deutliche Vorteile bei der Distribution böte, insbesondere für diejenigen Autoren, die nicht so bekannt seien wie Klopstock. Damit brachte er letzteren in eine moralische Zwickmühle, indem er erstens zeigte, dass ein solcher Direktvertrieb ohnehin nur für bekannte Autoren gangbar ist und zweitens zeigte, dass die weniger bekannten Autoren durch das für Verleger wegfallende Mittel der Mischkalkulation benachteiligt werden. Außerdem, so Reimarus, sei das klopstocksche Modell als buchhändlerisches Prinzip auch für die Käufer sehr nachteilig, denn man müsse für Bücher im voraus zahlen, deren Wert man nicht abschätzen könne. Schließlich kam er zu dem Schluss: „Man wird die Bücher nicht wohlfeiler, aber viel beschwerlicher erhalten.“ Dadurch, dass Klopstock seine späteren Texte wieder Verlegern anvertraute und von diesen drucken und verbreiten ließ, gab er schließlich Reimarus recht, der nachweisen konnte, dass ein spezialisiertes Distributionssystem am effektivsten und daher auch für Autoren am profitabelsten ist. 


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