TexturenGeschichte
Diebold Lauber und Vespasiano da Bisticci
von Michael Buchmann
Bereits vor Verbreitung des industriellen Buchdrucks gab es Ansätze einer standardisierten Buchproduktion, einer arbeitsteiligen Herstellung und eines werblichen Vertriebs. Mitte des 15. Jahrhunderts betrieb beispielsweise Diebold Lauber in Hagenau eine Schreibwerkstatt, die gewisse Merkmale der industriellen Buchproduktion aufwies, wenn auch nicht der Mechanisierung, so doch der automatisierten und arbeitsteiligen Abläufe, der standardisierten Massenproduktion und der gezielten Distribution nach. Lauber unterschied zwischen Luxus- und Standardausgaben. Erstere fertigte er lediglich auf Bestellung hin, letztere produzierte er im Voraus für den Markt. Diesen Markt schätzte er klar und nüchtern ein, denn er produzierte sogenannte Brotartikel, neben Schwänken vor allem Sach- und Gebrauchstexte wie Andachts- und Rechtsbücher usw. Auf Effizienz legte er großen Wert: so betrieb er sowohl eine Schreib- als auch Malstube; in der einen wurde der reine Text geschrieben und dann weitergereicht um in der anderen illustriert zu werden. Außerdem war der Aufbau des Satzspiegels seiner verschiedenen Titel ähnlich, um auch in der Herstellung möglichst gleichförmig und dadurch effizient arbeiten zu können. Seine Bücher bewarb er dann mit handschriftlichen Anzeigen.
Diebold Lauber war keineswegs ein Einzelfall. Vespasiano da Bisticci, Buchhändler in Florenz, handelte ebenfalls zur selben Zeit, und zwar bewusst nicht mit gedruckten sondern ausschließlich mit geschriebenen Büchern. Er stattete die Bibliotheken von Cosimo de Medici und die des Herzogs Federigo da Montefeltre aus. Für diese Bibliothek beschäftigte Vespasiano 45 Schreiber, die in 22 Monaten 200 Bücher herstellten. Außerdem zeichnete er für die Beschaffung der Textvorlagen und die einheitliche Bindung und Ausstattung der Bände verantwortlich. Die durch ihn zusammen gestellte Bibliothek lobte Vespasiano völlig rückhaltlos, auch wenn er die Leistung des Auftraggebers vorschob: „[Montefeltre war] dazu bestimmt, die herrlichste Bibliothek zu schaffen, die seit tausend und mehr Jahren bestanden hat. Er scheute keine Ausgaben und keine Mühe. Wo er von einem guten Buch in Italien oder im Auslande erfuhr, sandte er danach. […] Se. Herrlichkeit ließ sich diese Schöpfung 30 Tausend Dukaten kosten, unter anderem ließ er die Werke jedes Autoren karmesinrot und silbern einbinden. […] In dieser Bibliothek sind alle Bücher in höchstem Maße schön, alle mit der Feder geschrieben, kein einziges gedruckt; er würde sich dessen geschämt haben; alle mit den kostbarsten Miniaturen auf Ziegenleder gemalt.“ Allerdings war Vespasianos Ablehnung gedruckter Bücher nicht lange durchzuhalten; nach 1450 arbeiteten immer mehr seiner Kollegen entweder mit Druckern zusammen oder wurden sogar selbst zu Druckern.
Daneben verfasste er auch ein eigenes Buch, nämlich die Lebensbeschreibungen berühmter Männer des Quattrocento. Die Wahl des Themas war offensichtlich das Resultat gekonnter Markteinschätzung: denn er verband die Popularität des Biographischen mit der durchaus wohlwollenden Darstellung zum Teil noch lebender hochgestellter Persönlichkeiten. So bediente er zum einen die Neugierde sehr vieler Leser und konnte sich außerdem bei den dargestellten Multiplikatoren und deren Anhängern beliebt machen. Und noch einen dritten Effekt sollten die Lebensbeschreibungen hervorrufen. Denn Vespasiano lobte Päpste, Kardinäle, Bischöfe, Herzöge usw. auffallend häufig für deren Freigebigkeit, insbesondere in Buchbelangen. Über Papst Nikolaus V. schrieb er: „Dem päpstlichen Stuhle flossen viel Reichtümer zu; deshalb begann Papst Nicolaus […] auch Bücher von allen Orten her kommen zu lassen, […] ohne auf den Preis zu sehen. Er stellte viele Schreiber an, die besten, die er finden konnte; denen gab er beständig Arbeit, ließ auch von Gelehrten Bücher verfassen oder übersetzen und belohnte alle aufs reichlichste, gab ihnen, was ihnen zukam, und darüber hinaus. […] Immer ließ er schreiben, ohne Rücksicht auf die Kosten, […].“ Und über Kardinal Niceno Greco berichtet er mit entwaffnender Offenheit: „So verwandte er den größten Teil seiner Einkünfte in löblicher Weise zum Einkauf von Büchern.“ Diese gehäuften Äußerungen darf man getrost als frühe Form von Branchenwerbung bezeichnen. Allerdings wusste Vespasiano diese Offensichtlichkeit dadurch abzumildern, dass er weniger die ökonomischen Vorteile für sich selbst, sondern mehr die Verdienste der Auftraggeber in den Vordergrund zu stellen versuchte. Der Bischof von Fiesole wurde durch die Stiftung einer Bibliothek in Erinnerung gehalten, Erzbischof Zvedna habe durch die Einrichtung einer Bibliothek Gottesfurcht und Patriotismus bewiesen.
Vespasiano berichtet außerdem eine Anekdote von seinem Kollegen, dem Florentiner Buchhändler Francesco di Lapacino, der Ptolemäus Geographie im Jahr 1406 verlegte. Er lernte von dem Misserfolg des Jacopo d'Angelo, der denselben Text zwar ins Lateinische übersetzen ließ, allerdings nicht das für die griechische Handschrift gewählte große Format samt großformatigen Illustrationen übernahm; Francesco di Lapacino ließ dagegen 1415 für die Geographie Illustrationen anfertigen und druckte das Buch als großen Atlas. Diese Änderungen in der Ausstattung verhalfen dem Text von Ptolemäus so zu dem bis heute anhaltenden Erfolg.
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